Geothermie - zu riskant?
 

Schweizer Fernsehen SRF1, Club vom 30.07.2013


Tiefenbohrungen haben in St. Gallen das grösste menschengemachte Erdbeben der Schweiz ausgelöst. Schon 2006 erzitterte Basel, weil Forscher in der Erde nach Wärme bohrten. Kritiker fordern ein Ende der Versuche. Der Bundesrat verteidigt sie. Er sieht die Geothermie als Puzzle-Teil der Energiewende.


Auch wenn das Beben in St. Gallen geringen Schaden angerichtet hat, seine Stärke von 3.6 hat für Aufsehen gesorgt. Selbst Experten zeigen sich überrascht, dass eine eher sanfte Technik die Erde so stark erschüttern konnte. Das Vertrauen in die Geothermie ist angeschlagen. Erinnerungen an Basel werden wach, wo 2006 schon einmal Bohrungen in 4500 Metern Tiefe die Erde zum Beben brachten. Wie es in St. Gallen weiter gehen soll, bleibt offen, bis der Störfall restlos geklärt ist. Kritiker fordern einen Stopp der Versuche. Die Technik sei nicht ausgereift und der Nutzen fraglich. Der Bundesrat hingegen setzt auf die Geothermie. Er sieht sie nebst Wasser-, Sonnen- und Windenergie als Beitrag zum Atomausstieg. Bis zu 200 Kraftwerke sind dafür vorgesehen und entsprechend viele Tiefenbohrungen. Schaffen es die Befürworter, die Ängste und Vorbehalte der Gegner zu zerstreuen? Ein «Club» über Risiken und Nutzen sowie Kosten und Chancen der Geothermie.


Unter der Leitung von Karin Frei diskutieren:

Fredy Brunner, Stadtrat FDP/St. Gallen, Direktor technische Betriebe, verantwortlich für Tiefenbohrung: «Wir waren überzeugt, nur beschränkte Risiken in Kauf nehmen zu müssen. Umso bestürzter bin ich, dass es zu diesen Erdstössen kam. Wir tragen nun eine grosse Verantwortung beim Entscheid für das weitere Vorgehen. Damit hat sich auch die Ausgangslage für viele andere Geothermie-Projekte verändert. Es geht um viel: Geld, Risiken und den Glauben an die Geothermie als wichtigen Energieträger.»
Kurt Rohrbach, Präsident Verband Schweizerische Elektrizitätsunternehmen VSE: «Aktuell sind die Risiken von Geothermie-Bohrungen meiner Meinung nach zu wenig fassbar. Eine Denkpause drängt sich auf. Sie erlaubt, die Kosten-Nutzen-Frage gründlich zu überdenken.»
Markus O. Häring, Explorationsgeologe, Projektentwickler Geothermie 2006 Basel: «Tiefenbohrungen sind immer mit Risiken verbunden. Das habe ich als Explorationsgeologe im Erdölgeschäft in Peru und Nigeria, in Australien und in der Nordsee erlebt. Mit dem entsprechenden politischen Willen sind auch in der Schweiz die technischen Herausforderungen bei der Geothermie zu lösen.»
Kathy Riklin, Nationalrätin CVP/ZH, Präs. Schweizerische Vereinigung für Geothermie SVG: «Durch den jüngsten Rückschlag sollten wir uns nicht unterkriegen lassen, sondern weiter machen, es braucht keine Denkpause. Wir stecken mit der Technologie in einer Pilotphase, längerfristig jedoch rechnet sich die Geothermie. Im Wärmebereich ist sie jetzt schon sehr erfolgreich.»
Bastien Girod, Nationalrat Grüne/ZH, Energieforscher ETH: «Wir müssen die Energiewende auf erprobten Energien aufbauen. Geothermie steckt noch in den Kinderschuhen. Sie muss weiter erforscht werden, bis sie reif für die praktische Umsetzung ist.»