“Arena”: Atomausstieg: Historisch oder hysterisch?

 

Schweizer Fernsehen SF1, Arena vom 10.06.2011


Der Nationalrat hat den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen und folgt damit der neuen Strategie des Bundesrates. Historisch sagen die einen, hysterisch die anderen. Einige Mitteparteien haben eine erstaunliche Kehrtwende vollzogen. Ist das reine Wahltaktik? Wie wichtig wird die Haltung der Parteien in der Atomfrage wirklich für die Nationalratswahlen im Herbst? Welche Konsequenzen hat dieser Entscheid für die kommenden Bundesratswahlen?

Diese Fragen diskutieren die Präsidenten aller grossen Parteien in der Arena:

- Toni Brunner, Präsident SVP
- Christophe Darbellay, Präsident CVP
- Hans Grunder, Präsident BDP
- Ueli Leuenberger, Präsident GPS
- Christian Levrat, Präsident SP
Fulvio Pelli, Präsident FDP


Highlights der Sendung:

Je nach politischem Lager wurde der Tag der Ausstiegs-Entscheidung in Bern als «wichtig», «mutig» oder auch «chaotisch» beschrieben. In der «Elefantenrunde» mit den Spitzen der grossen Parteien diskutierten die Gäste der «Arena».


FDP will «langsamer spielen»

Ohne ein schnelles Umschwenken der politischen Mitte wäre ein Ausstieg nicht denkbar gewesen. Aber auch wenn vor Fukushima noch von möglichen neuen AKW als Ersatz für die alten Reaktoren gesprochen wurde, CVP-Präsident Christophe Darbellay sprach vom Ziel eines jahrelang gegangenen Weges. «Unsere Basis ist zufrieden mit dem Entscheid. Wir kämpfen für die Schöpfung. Irgendwann müssen wir es begreifen. Ohne die CVP wären wir immer noch in der Atom-Ära.»

Vorsichtiger äussert sich die FDP. Parteipräsident Fulvio Pelli sprach von einem «chaotischen, aber konstruktiven Arbeitstag» am Mittwoch. Nach Fukushima habe man das Thema in der Partei vertieft und mit Experten gesprochen. Die Sicherheitskontrollen könnten fehlschlagen, das müsste auch die SVP akzeptieren. Es könne viel verbessert werden in der Schweiz. Aber: «Wir haben keine Sicherheit, dass die ganze Stromproduktion ersetzt werden kann. Deshalb muss das Spiel langsamer gespielt werden».


Vergleich Photovoltaik - AKW Gösgen

Hans Grunder, Präsident der BDP, musste sich Wankelmut vorwerfen lassen. Die Partei stehe erst seit kurzem für den Atomausstieg ein. Grunder kritisiert seine Kritiker. «Ich bin schlauer geworden. Das ist für mich kein negatives Attribut. Es bringt doch nichts, ein Produkt weiterzuentwickeln, welches man nicht mehr verkaufen kann. Wir werden keine neuen AKW bei Abstimmungen mehr durchbringen. Ich bin überzeugt: Mit der technischen Entwicklungen können wir noch viel mehr erreichen mit erneuerbaren Energien.»

Die Kritik an der schwankenden Haltung zu Atomenergie und neuen AKW kommt von der SVP. Parteipräsident Toni Brunner griff erst die «abtrünnige» BDP sowie die FDP an: «Herr Grunder sagte früher, Legislaturziel sei, neue Kraftwerke zu bauen. Die FDP hat leider nichts gesagt und hat dadurch einen voreiligen Entscheid ermöglicht.» Danach sprach er Versorgungsengpässe an: «Das Wankdorf hat eine Photovoltaikanlage, 1,2 Hektare. Die Stromproduktion ist in einem Jahr gleichviel wie 1 Stunde Gösgen. Wie soll man die Nachfrage bewerkstelligen? Konsequenterweise dürfte man dann auch keinen Strom aus AKW mehr importieren.»


«AKW-Bewegung hat gelernt»

Ueli Leuenberger, Präsident der Grünen, sieht kein Problem in Positionswechseln von Parteien. Im Gegenteil: «Chapeau. Es ist schön, dass es diese Möglichkeit in unserem Land gibt, dass man auf erneuerbare Energien setzt. Und dort ist auch das Potenzial.»

Mit «Empörungsbewirtschaftung» komme man nicht weiter, findet Christian Levrat. Der SP-Präsident beobachtete ein Umdenken bei den AKW-Gegnern. «Die AKW-Bewegung hat auch aus den Fehlern gelernt. Man hat eine Initiative lanciert und Demos und am Schluss ist nichts passiert. Heute sind wir kühler und rationaler.»

In der «zweiten Reihe» im Studio kamen Spezialisten und Beobachter zu Wort. Auch hier fand sich kein Konsens. Die Einschätzungen pendelten zwischen einer «unschweizerischen Situation», «noch vielen offenen Fragen» bis hin zu einer «deutlichen und schnellen Reaktion» des Bundesrats.


Grüne sehen sich im Bundesrat

Zum Ende der «Arena» wurde die Wahl von Parlament und Bundesrat im Herbst Thema. Die SVP pochte nochmals auf die Volkswahl des Bundesrats, die FDP unterstützte den Ansatz in Teilen. Die Grünen glauben, dass ein eigener Bundesrat möglich wird, wohl auf Kosten der SP.